Höfesterben

Eine Konsequenzen der aktuellen Politik und die ihre düstere Prognose zum weiteren Verlauf

Posted by AckerSchwestern 01/2023

Rückblick

Es wurden auf den Seiten 46ff unterschiedliche Fallstudien analysiert.

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU-27 ging zwischen 2003 und 2016 von etwa 15 auf 10 Millionen zurück (-32 %), wobei der Rückgang bei den kleinen Betrieben (<5 ha; -38 %) am stärksten und bei den mittleren Betrieben (5-19 ha, 20-49 ha; 17 % bzw. 12 %) moderat war, während die Zahl der großen Betriebe (>50 ha) um 7 % zunahm.

Prognose

  • Bis 2040 werden 6,4 Millionen Bauernhöfe in der EU zusperren, das sind 700 pro Tag. [S.11]
  • Besonders betroffen sind kleine und mittlere Betriebe. [S.11, 56]
  • Für die überwiegende Mehrheit der NUTS-2-Regionen der EU wird ein mäßiges Risiko eines Rückgangs der Zahl der Betriebe prognostiziert, während für 16 % ein hohes (8 %) oder sehr hohes (8 %) Risiko besteht (Projektion von 2016 bis 2040).

Gründe:

Quelle: u.a. [S.39ff, 46f]

  • fehlgeleitetes Fördersystem (Stichwort Flächenförderung)
  • magere Gewinnspannen
  • schlechte Verhandlungsposition
  • fehlende Hofnachfolger

Modellierte Szenarien

In der Studie wurden verschiedene Prognosen anhand von Szenarien erstellt, abhängig von unterschiedlichen Faktoren. Wir wollen im folgenden das Baseline Szenario und die zwei darauf aufbauenden Szenarien hier kurz vorstellen.

Die territorialen und sozioökonomischen Auswirkungen des Rückgangs der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe und der Landwirte wurden anhand von Szenarien analysiert. Die Analyse berücksichtigt ausdrücklich die Auswirkungen, die sich aus den traditionellen Triebkräften des Strukturwandels und den jüngsten Megatrends ergeben, die die europäische Landwirtschaft und das europäische Landwirtschaftsmodell beeinflussen.

Baseline Szenario: Wichtigste territoriale und sozioökonomische Auswirkungen

[S.61]

Was die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe anbelangt, so würde sich die wirtschaftliche Lebensfähigkeit größerer, industrialisierter Betriebe durchsetzen. Das anhaltende Wachstum der durchschnittlichen Betriebsgröße geht einher mit einem erhöhten Bedarf an Produktivität und Spezialisierung und damit einer zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft. Die Notwendigkeit, die Produktion pro Hektar Land oder pro Tier zu maximieren, würde somit zu einer Spezialisierung der Betriebe und Regionen führen.

Weitere Folgen solcher Trends wären der Rückgang von Grünland und Viehweiden und eine erhöhte Tierdichte, wodurch die landschaftliche Vielfalt in Landschaften wie der Almwirtschaft abnehmen würde. Eine weitere ökologische Folge dieser Situation wäre auch die erhöhte Emissionsintensität, insbesondere im Hinblick auf die Stickstoffbelastung und die Emissionen in das Wassersystem und die Luft.

Der erwartete Gesamtrückgang der landwirtschaftlichen Betriebe würde zu mehr leerstehenden Betrieben und einer fortschreitenden Aufgabe von Zwischenlebensräumen, abgelegenen Gebieten und Bergen führen.

Mit der Einstellung dieser Tätigkeiten würden das traditionelle bäuerliche Wissen und das landwirtschaftliche Erbe verloren gehen, ebenso wie das soziale Bewusstsein für landwirtschaftliche Produktionsprozesse und Werte.
Diese ehemaligen Landwirte, die in städtische Gebiete ziehen, könnten jedoch die Entwicklung der städtischen Landwirtschaft unterstützen.

Megatrend-Szenario 1 - Klimawandel und Umweltbelastung

[63,64]

Wichtigste territoriale und sozioökonomische AuswirkungenIn diesem Szenario wurden die kombinierten Auswirkungen des derzeit beobachteten sektoralen Trends und des vom IPCC erwarteten Worst-Case-Szenarios der globalen Erwärmung untersucht. Bei diesem Szenario werden insgesamt negative Auswirkungen erwartet, insbesondere in den Regionen im Süden Europas. Da eine Verschiebung der Klimazonen nach Norden und in höhere Lagen zu erwarten ist, werden diese Regionen am stärksten von Wüstenbildung und Dürren betroffen sein.

Diese Phänomene würden zu einem drastischen Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe in den südlichen Regionen aufgrund von Bewässerungsproblemen führen, was deren Abhängigkeit von den nördlichen Regionen in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung noch verstärken würde.

Der zu erwartende Zustrom von Klimaflüchtlingen aus dem Süden würde die Nahrungsmittelversorgung und die Preise in diesen Regionen zusätzlich unter Druck setzen
, während die Regionen in den mittleren Breiten Europas aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels stärker von Überschwemmungen bedroht wären und dadurch landwirtschaftliche Flächen an das Meer verlieren und Ernteschäden in Flusstälern erleiden würden.

In den nördlichen Regionen hingegen würden die Erträge aufgrund des Klimawandels steigen, und es käme insgesamt zu einer Intensivierung der Landwirtschaft, zu Landnutzungskonflikte um günstige Flächen, mit einem Aufgeben-Effekt in trockenen, degradierten und exponierten Gebieten.

Der Anbau wäre auch in höheren Lagen möglich, allerdings wären die Landwirte in diesen Regionen mit mehr Boden und Erdrutschen konfrontiert. Insgesamt würde die Notwendigkeit des Anbaus widerstandsfähigerer Pflanzen steigen und die Fleischproduktion aufgrund des Mangels an Wasser, Land und anderen Ressourcen zurückgehen, was wiederum Landnutzungskonflikte verstärken würde.

Dies würde mit einer Verlagerung des Fleischkonsums in der Bevölkerung einhergehen, die auf eine stärkere Rücksichtnahme auf die Umwelt und die Tiere zurückzuführen ist. Der Rückgang des Fleischkonsums und der Fleischproduktion würde zu einem Rückgang der Emissionsintensität führen. Auch wenn insgesamt eine Verlagerung der landwirtschaftlichen Tätigkeit in den Norden Europas zu erwarten ist, würde die Vielfalt der landwirtschaftlichen Erzeugnisse aufgrund des Klimawandels insgesamt abnehmen.

Megatrend-Szenario 2 - Szenario zur Veränderung des Nachhaltigkeitsbewusstseins

[65,66]

In diesem Szenario wurden die Auswirkungen eines externen Schocks, wie z. B. der Covid-19-Pandemie, und seine verstärkte Reichweite auf das Bewusstsein der Menschen für die Rolle des Agrarsektors untersucht. Im Gegensatz zu anderen Szenarien wird eine bedeutende Veränderung der Größenordnung erwartet. Die damit verbundene eingeschränkte Mobilität der Menschen (vor allem bei Saisonarbeitern) sowie die verringerten EU-Ein- und Ausfuhren, insbesondere aufgrund geschlossener Grenzen, hätten erhebliche Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und die Wertschöpfungskette.

Es wurde festgestellt, dass ein externer Schock das Vertrauen und das Engagement der Verbraucher in die Landwirtschaft verändern könnte, die zunehmend umweltfreundliche, regionale und saisonale Produkte bevorzugen.

Dieses gestiegene Bewusstsein in Verbindung mit der drohenden Verschlechterung der Ernährungssicherheit würde der regionalen Produktion und der nationalen Wertschöpfung mehr Bedeutung verleihen. Dieser Trend würde zu einer Zunahme kürzerer Wertschöpfungsketten und der Verbreitung territorialer und umweltfreundlicher Marken führen. Er würde auch lokales Wissen mit ortsbezogener Produktion und Qualität verknüpfen.

Es ist zu erwarten, dass sich der bereits bekannte Trend zu zunehmenden Hygienemaßnahmen in der landwirtschaftlichen Produktion und der Lebensmittelverarbeitung verstärken wird, ebenso wie die Normalisierung einer nachhaltigen, umweltfreundlichen Produktion. Die verstärkte Forschung im Bereich der Technologie zur Unterstützung einer nachhaltigen Produktion ermöglicht eine massive eine deutliche Verringerung des Einsatzes von Schadstoffen und eine effizientere Nutzung der Ressourcen.

Darüber hinaus ist eine Zunahme des Anbaus durch Nicht-Landwirte als neue Art der Subsistenzwirtschaft zu erwarten, die ihrerseits ebenfalls zu einer De-Urbanisierung führen kann.

Auch die Verallgemeinerung von Home-Office und Online-Meetings soll nachhaltige Auswirkungen auf den Urbanisierungsprozess und eine weitere De-Urbanisierung haben. Dies würde die Verflechtung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten verstärken und den Landwirten eine größere Bedeutung und mehr Abgaben auf die Preise für ihre Produkte verschaffen. Eine solche Zersiedelung würde die ländlichen Gebiete wiederbeleben und Innovation und Lebendigkeit begünstigen. Das Gegenstück zu diesem De-Urbanisierungstrend könnte jedoch zu einer Verschärfung der bereits bestehenden Landnutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft, Wohnen und Umwelt beitragen. Ein weiterer Trend, von dem angenommen wird, dass er durch ein verändertes Bewusstsein für die Landwirtschaft verstärkt wird, ist die weitere Verbreitung der Digitalisierung und neuer landwirtschaftlicher Technologien, die dann alle Sektoren erreichen würden. Dieser Trend würde einerseits zu einer verstärkten Nutzung von Ressourcen (Wasser, Land, Energie, seltene Metalle usw.) beitragen, andererseits aber auch den Ressourcenverbrauch in der Landwirtschaft direkt verringern. Der Bedarf an mehr Widerstandsfähigkeit und die fehlende Lebensmittelautonomie der Städte könnten städtische Zentren und ländliche Regionen dazu veranlassen, sich auf die High-Tech-Produktion zu verlagern, um die Kapazitäten für eine schnelle Produktion und eine Erhöhung der Vorratshaltung für nicht verderbliche Lebensmittel zu verbessern. Dieses Ungleichgewicht zwischen Produktions- und Verbrauchsgebieten könnte auch zu einer Neuverteilung der Verwaltung und des Managements der Wertschöpfungskette führen, so dass insgesamt eine Zunahme der sozioökonomischen Ungleichheiten zu erwarten ist, die sich in sozialen Spannungen äußert. In der Tat würden die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Nahrungsmittelproduktion und dem Zugang zu Ressourcen das Lebensmittelbudget des Durchschnittshaushalts erhöhen, was sich auf die Möglichkeit auswirken würde, andere Arten von Gütern zu konsumieren. Dementsprechend wird es einen größeren Bedarf an Solidaritätsmaßnahmen und makroökonomischer Integration geben.

Zur Studie


"The Future of the European Farming Model Socio-economic and territorial implications of the decline in the number of farms and farmers in the EU"
Veröffentlichung: April 2022

Die Studie wurde vom AGRI Committee (EU) in Auftrag gegeben.
Umgesetzt und Veröffentlicht wurde die Untersuchung von einer Kooperation aus
ÖIR GmbH, Federal Institute of Agricultural Economics, University of Ljubljana
Verfasser (u.a.):
ÖIR GmbH: Mailin GAUPP-BERGHAUSEN, Bernd SCHUH, Arndt MÜNCH, Manon BADOUIX, Kinga HAT, Sanja BRKANOVIC
Federal Institute of Agricultural Economics, Rural and Mountain Research (BAB): Thomas DAX, Ingrid MACHOLD, Karin SCHROLL
University of Ljubljana: Luka JUVANČIČ, Emil ERJAVEC, Ilona RAC, Ana NOVAK
Research administrator: Albert MASSOT, François NEGRE

Die deutsche Zusammenfassung findet ihr hier: Deutsche Zusammenfassung

Die gesamte Studie ist leider nur auf englisch einsehbar: Englische Originalstudie