Bauern klären auf


Fast täglich finden wir bei unserer Recherchearbeit Fakenews und Halbwahrheiten die durch die Medien und soziale Netzwerke schwirren.
Die Landwirtschaft ist ein kompliziertes und breites Gebiet, viele Medien und Journalisten liefern oft viel zu einfache Antworten auf komplexe Probleme.

Nichts ist so gefährlich wie Halbwissen, und Diskussionen sowie Entscheidungen die auf solchen gründen.
Das führt zu immer mehr Spaltung in der Gesellschaft und zu absolut praxisfremden Auflagen und Vorstellungen bezüglich der heimischen Landwirtschaft. Und es frustriert die Landwirte, ihre Angehörigen und Mitarbeiter.

Selten haben Sie die Möglichkeit, sich gegen die medialen Falschdarstellungen öffentlich und breit zu wehren:
Aber das wollen wir hier ändern!


Wir geben den Landwirten eine Stimme. Bieten ihnen Raum für sachliche Aufklärung aus erster Hand, direkt aus der Praxis.

Auch wenn es sich hier um Kommentare im journalistischen Sinne handelt, bleibt unser Anspruch: Fakten und Quellen!
So könnt ihr euch auf die Aussagen und Darstellungen der Landwirte auch verlassen.



"Deutsche Bauern wittern schnelles Geld mit Weizen-Krise - Özdemir schiebt Riegel vor"

Focus online, 01.04.2022


Mehr dazu unter unserem Background Check zum Gastbeitrag.


Sehr geehrtes Focus Online Team!

Dieser Artikel strotzt so dermaßen vor Widersprüchen, dass man Ihn nicht unkommentiert lassen kann!
Schon die Überschrift ist ein Schlag ins Gesicht derer, die trotz teils extrem schlechter wirtschaftlicher Bedingungen immer noch Landwirtschaft in Deutschland betreiben - und enthält auch schon gleich den ersten Widerspruch. Warum implizieren Sie gleich in der Überschrift, die Landwirtschaft sei grade zu hoch erfreut über den schrecklichen Krieg in der Ukraine? Und was genau ändert Özdemir am weltweiten Weizen-Preis?

Hamsterei
Die folgende Passage über die „Hamsterei“, die wir alle sehen ist nicht zu beanstanden, wobei man natürlich aus dem irrationalen Handeln auch auf eins schließen kann: Angst! Die Bevölkerung hat offenbar schlicht und ergreifend Angst, dass an den ganzen Meldungen, es sei immer genug für alle da, evtl. doch Zweifel angebracht sind?

Das dann grade zu süffisant als „Weltrettung“ titulierte ansinnen, darüber nachzudenken wie sinnvoll in der aktuellen Lage die weitere Ausdehnung nicht produktiver Flächen ab 2023 ist, ist an Überheblichkeit kaum noch zu toppen, und widert mich einfach nur noch an. Haben Sie überhaupt ansatzweise eine Idee, was mit der GAP 2023 beschlossen wurde? Wissen Sie überhaupt, wie diese Stilllegungen aussehen sollen? Können Sie mir erläutern, wie das geplante Handeln der GAP auch nur irgendwie ansatzweise „klimaschonend“ sein soll? Oder wie die weiteren Stilllegungen & Maßnahmen des Green Deals dem Klima helfen sollen, wenn doch bereits jetzt zahlreiche Studien vor der „negative Klimawirkung“ warnen?

Selbstversorger Deutschland?
Wenn von Ihrer Redaktion und den befragten NGOs konstatiert wird, wir seien beim Getreide Selbstversorger, warum nimmt man nicht ein einziges Mal die Gesamtsituation in den Blick? Ernähren Sie sich ausschließlich von Weizen? Nein? Wo kommt Ihr Obst her? Ihr Gemüse? Der Kaffee? Selbst bei tierischen Produkten, wo wir in einigen Bereichen tatsächlich Netto Exporteur sind, wird nur allzu gern verschwiegen das wir zwar wohl in Deutschland nicht verkäufliche Einzelteile exportieren, aber bei den Edelteilen welche hier reißenden Absatz finden immer wieder Nettoimporteur sind?

Eine absolute Frechheit ist auch die Feststellung, das kritisierte Vorgehen würde 600 Millionen Euro pro Ernte in die Kassen der Landwirte spülen. Welches Milchmädchen setzt Umsatz gleich Gewinn? Haben Sie überhaupt ansatzweise eine Idee, wie sich die Kosten für Betriebsmittel, für Saatgut, Diesel, Dünger entwickelt haben?

Futtergetreide vs. Backweizen
Diese unglaubliche Inkompetenz setzt sich dann nahtlos fort beim Thema Futtergetreide, das Thema womit im Moment gefühlt die gesamte Sammlung an NGOs ihr letztes verbleibendes Spielfeld für Ihre Ideologien, die Landwirtschaft, in ein schlechtes Licht rücken und die Bevölkerung für dumm verkaufen will. Fragen Sie doch bitte mal Ihren „Agrarexperten“ Christian Rehmer, wie wir hier im Münsterland auf kargen Sandböden einen backfähigen Weizen auf den Acker bekommen? Wir, die wir hier seit Jahrhunderten Landwirtschaft betreiben sind da scheinbar nicht dazu im Stande? Fragen Sie doch mal bitte bei Herrn Hoffstetter, ebenfalls „Experte“, wer wohl im Sommer hier Gerste oder Roggen kaufen möchte für die heimische Küche? Fragen Sie auch gern mal in Özdemirs Ministerium, warum wohl so wenig Soja, Lupine und Erbse ohne Pflanzenschutz angebaut wird? Was meinen Sie, was meint Frau Künast wohl, warum die Landwirtschaft in vielen Regionen auf die Tierhaltung (In Fachkreisen auch „Veredlung“ genannt...) angewiesen ist? Warum wohl haben unsere Altvorderen angefangen Tiere zu halten? Um anschließend WENIGER Nahrung zu haben?
Entgegen der ständigen Annahme sinken die Tierbestände seit Jahren, und zwar in allen Bereichen. Dabei sind wir angewiesen auf den wertvollen Tierdünger, gerade auch in Zeiten einer Düngerkrise. Und ganz nebenbei will die Gesellschaft mehr Biobetriebe – d och gerade für sie ist es der einzige nutzbare Dünger, und ohne geht es nicht!

„Tank oder Teller“ Debatten
Diese Überheblichkeit, mit der über unser Handeln als Landwirte berichtet wird, ist nicht mehr auszuhalten. 2019/20 lag der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln in Deutschland bei 88% und ist seitdem noch weiter gesunken. Unabhängig von anderen Gütern, die in anderen Teilen der Welt Fläche verbrauchen (Baumwolle zum Beispiel) ernähren sich Stand heute also schon mindestens 10 Millionen Menschen in Deutschland von Flächen in anderen Teilen der Welt.
Was soll nun die Lösung sein?
Seit Jahrhunderten bewährte Strategien zum nutzbar machen ansonsten unproduktiver Flächen in Frage stellen, darüber fabulieren was man alles tolles mit Futtergetreide machen könnte, ohne auch nur ansatzweise zu erwähnen warum das eben Futtergetreide ist und kein Backweizen?

Oder lieber weiter darauf bauen, dass wir in Deutschland reich genug sind, um Fehlmengen weiter auf dem Weltmarkt zu beschaffen? Sinnlose „Tank oder Teller“ Debatten wieder aus der Versenkung holen, wenige Tage nachdem die erste Frühwarnstufe des Gas-Notfallplans ausgerufen wurde? Landwirtschaft produziert Energie, in Form von Nahrung, aber eben auch in Form von Strom, Wärme und Kraftstoffen.

Zukunft?
Ein Mangel in Deutschland ist übrigens tagesaktuell komplett abstrus, wir leben hier immer noch im totalen Überfluss. In anderen Teilen der Welt ist die Lage aktuell schon etwas anders, aber bei weitem noch nicht so dramatisch, wie es kommen könnte wenn im nächsten Jahr in Europa und der westlichen Hemisphäre kaum Mineraldünger zur Verfügung steht, da die Produktion aufgrund von extrem hohen Gaspreisen steht und Importe aus Russland wohl kaum in Frage kommen. Sie können ja einmal ihre gesammelten „Agrarexperten“ fragen, wie diese dann die Versorgungslage in 2024 sehen, denn Landwirtschaft braucht extrem langen Vorlauf. Jetzt nicht produzierter Dünger steht im Frühjahr 2023 nicht zur Verfügung und führt dann zu Engpässen vor der Ernte 2024... das können Ihnen ihre Lieblings-NGOs sicher im Detail erklären. Als Einstieg empfiehlt sich etwas fachliche Lektüre.

Ulrich Knippenberg